Mieze Schindler

...über die wahrscheinlich leckerste Erdbeere der Welt und eine Liebeserklärung die im Garten überdauert.

Mieze Schindler ist eine reine Gartenfrucht. Sie bleibt denen vorbehalten, die Sie selbst anbauen. Man sollte sie frisch vom Stock genießen, denn lagerfähig ist sie nicht besonders. Groß und fest auch nicht. Das ist der Grund, warum man die alte Lady kaum im Supermarkt um die Ecke finden wird - obwohl kaum eine andere Erdbeere so begehrt ist...

Mieze Schindler im Erdbeerbeet
Mieze frisch vom Stock: ein Hochgenuss
Fruchtvergleich Mieze Schindler und SweetMary
Klein aber fein; 'SweetMary' ist um ein Vielfaches größer

Befruchtung

Blütenvergleich: Mieze Schindler und eine Befruchterblüte
links: 'Mieze Schindler' Blüte, rechts: Befruchterblüte

Fast alle Erdbeersorten sind zwittrig - fast. Mieze bildet rein weibliche Blüten aus. Früher nannte man sie ja auch 'Frau Mieze Schindler'. Geeignete Befruchter sind z.B. Senga Sengana oder Korona.

Unsere Beerenzauber 8er- und 10erTrays enthalten bereits zwei Pflanzen einer Befruchtersorte. Der Pollenspender sollte natürlich in der Nähe gepflanzt werden.

Frucht

Auffällig bei der Sorte 'Mieze Schindler' sind die eingesunkenen Nüsschen
Auffällig: die Nüsschen sind eingesunken.

Mieze reift relativ spät, etwa Ende Juni. Die Früchte sind klein, kugelig, dunkelrot und stark beduftet. Starker Duft ist bei Erdbeeren immer ein Zeichen für ein intensives Aroma.

Charakteristisch sind die eingesunkenen Nüsschen - wegen Ihnen wird Mieze fälschlicherweise oft mit Walderdbeeren verglichen und verwechselt. Das Aroma dagegen kann man nicht verwechseln, auch nicht mit Walderdbeeren. Zudem sind die Beeren so weich, dass Sie einem sprichwörtlich auf der Zunge zergehen.

Die Lovestory

der wahrscheinlich leckersten Erdbeere der Welt.

Mieze Schindler hat nichts mit Schindlers Liste und auch nichts mit Katzenfutter zu tun. Der ursprüngliche und vollständige Name war Frau Mieze Schindler. Wie dieser ungewöhnliche Name entstand, woher Mieze stammt und warum die reife Lady so viele Jahre lang abgetaucht ist wird im Folgenden kurz erklärt...

Erdbeeren 1925

Mieze ist eine historische Sorte. Sie wurde bereits 1925 gezüchtet, das war für den Erdbeeranbau und die Züchtung eine komplett andere Zeit. Heute gibt es einen großen genetischen Pool aus dem Züchter schöpfen können, damals standen nicht viele Sorten zum Weiterzüchten zur Verfügung. Vom Ertrag und der Fruchtgröße moderner Sorten konnten die Pioniere der Gartenerdbeere Anfang des 20. Jahrhunderts nur träumen. Sicher ist aber: beliebt war die Königin unter den Früchten damals schon. Mehr als heute wusste man über die Herkunft der Erdbeere aus den Königsgärten. Kein Wunder also, dass Mieze als kleine Revolution für den Garten galt und schnell Fans fand. Vor dem Krieg war sie bereits in vielen Gärten Ostdeutschlands zu finden.

Die Züchtung der leckersten Erdbeere der Welt

Frau Mieze Schindler wurde von Prof. Dr. Otto Schindler gezüchtet. Frau Mieze Schindler? Ja, denn wegen ihrer rein weiblichen Blüten wurde sie eine Züchtung mit Anrede. Sie stammt aus Pillnitz, heute Stadtteil von Dresden. Schindler war zu dieser Zeit Direktor der Lehr- und Versuchsanstalt in Pillnitz. Noch heute wird dort sehr gute Züchtungsarbeit in vielen gärtnerischen Bereichen geleistet.

Prof. Dr. Otto Schindler hat noch eine weitere Sorte gezüchtet, die zu ihrer Zeit für Aufsehen sorgte: die Sorte 'Oberschlesien'. Sie gehörte zu den ersten wirklich ertragreichen Sorten für den Obstbau und glänzte auch durch gute Standortanpassung.

Die Liebeserklärung

Sorten werden oft nach großen Namen, Prominenten und Adeligen benannt. Als Rose etwa kann man 'Astrid Lindgren' oder 'Laetitia Casta' im Garten haben und für's Wohnzimmer gibt es eine nach Michail Gorbatschow benannte bolivianische Orchidee Maxillaria gorbatschowii.

Otto Schindler war nicht prominent und auch seine Frau war es nicht. Er wollte sich auch nicht selbst verewigen, wie es viele andere Züchter gemacht haben. Er beschloss das Glanzlicht seiner Karriere nach dem Kosenamen seiner Frau Emilie Schindler zu benennen.

Prof. Dr. Schindler hat nicht sich, sondern seine Frau unsterblich gemacht. Ob er damals schon wusste, dass Mieze mehr als 85 Jahre später immernoch als leckerste Erdbeere der Welt gilt? Gibt es eine schönere Liebeserklärung?

Verloren und Gefunden

Hört sich doch fast zu schön an um wahr zu sein, oder? Ganz so einfach war es natürlich auch nicht, denn bis vor einigen Jahren war Mieze Schindler fast vergessen. Am Anfang war sie sehr erfolgreich, doch die Zeiten änderten sich. Einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg begann die Massenproduktion im Obstanbau. Die Ansprüche waren plötzlich andere. Festigkeit und Ertrag waren gefragt und der Markt forderte von der Gourmetsorten seinen Preis. Sieger dieser Zeit war dennoch eine ebenfalls sehr delikate Sorte: 'Senga Sengana', bis heute die bekannteste Erdbeersorte Deutschlands, trat ihren Siegeszug an.

Mieze schlummerte viele Jahre hinter dem eisernen Vorhang und hatte in der DDR ein Nieschendasein. In Ostdeutschland gab es eine andere Selbstversorgerkultur - zum Teil natürlich aus der Not heraus. Das Sortenverständnis war (und ist vielleicht heute noch) deutlich höher als im Westen.

Erst viele Jahre nach der Wende wurde die köstliche Mieze wiederentdeckt - und in ganz Deutschland vermarktet. Heute zählt sie zu den bekanntesten und beliebtesten Gartenerdbeeren des Landes - und nicht zuletzt auch zur geschmacklichen Referenz für die Züchtung neuer Sorten.

Die junge Sorte 'Mieze Nova' die von Frau Dr. Dathe (ebenfalls in Dresden / Pillnitz) gezüchtet wurde ist ein Vorzeigebeispiel für den Wert des alten Gartenschatzes in der Züchtung. Dennoch sieht es nicht danach aus, als würde in nächster Zeit eine Sorte auf den Markt kommen, die die Muttersorte im Geschmack übertrifft. Die Liebeserklärung von Otto Schindler bleibt uns hoffentlich noch viele viele Jahre im Garten erhalten…